Warum haben wir so große Angst vor Subkulturen? Liegt es etwa daran, dass uns alles was sich von dem durch die Medien geschaffenen Gesellschaftsbild unterscheidet, fremd und feindselig erscheint? Was sind das für Menschen die Mantren singen, orientalische Märchen erzählen oder zu afrikanischen Rhythmen trommeln?
Es ist an der Zeit den eigenen Focus neu zu justieren und einmal auszubrechen und sei es nur für einen Abend oder ein Wochenende. Einmal den Blick hinter die Fassade des eigenen Spiegelbildes richten, wenn man spürt, dass der Tunnelblick auf ein ach so perfektes Leben, das immer häufiger keine innere Zufriedenheit mehr verspricht, nicht genügt.
Zeit für ein paar interessante Veranstaltungen und Locations die helfen können eine kleine Welt abseits des Mainstreams besser zu verstehen, sich mit Subkulturen auseinander zu setzen und ein respektvolleres Miteinander zu fördern.
Umsonst & Draussen
Das Umsonst & Draussen Festival das jedes Jahr an einem verlängerten Wochenende im Juni stattfindet ist die perfekte Gelegenheit einmal am Rande der großen Hauptbühnen interessante Musiker, Künstler, kleine Events und förderungswürdige Initiativen für sich zu entdecken.
Kennt ihr die Palettenbühne gleich rechts vom Eingang? Das ist dort wo die tätowierten jungen Leute mit den bunten Haaren und den schwarzen Klamotten zu schrammeliger Inie-Punk-Pop-Metal Musik abtanzen. Ein kleiner Abstecher dorthin kann sich lohnen. Denn die Vorurteile die gegen diese unkonventionell lebenden Individualisten bestehen lassen sich hier durchaus ein wenig revidieren.
Denn was man nicht sieht, ist ihr Engagement ein paar Schritte weiter an den Ständen der Würzburger Initiativen. Dort nämlich setzen sie sich aktiv für Projekte wie das Projekt Hermine, das Bergwaldprojekt, Sea Shepherd, Jugendarbeit Würzburg, Streetwork, Young Caritas und viele, viele weitere Projekte ein. Hättet ihr das erwartet?
Einen Tipp noch für alle die erst am Abend zum U&D Festival kommen um sich die Top-Akts anzusehen. Am Sonntag Nachmittag, wenn zwischen 15 und 16 Uhr Ruhe auf den Bühnen herrscht gibt es auf dem Gelände bei der „Wegelagerei“ überall Musik und Akrobatik zum genießen. Es ist wie auf dem Jahrmarkt: staunen, sich freuen, lachen, sich begeistern lassen und eurer immer strukturiert und logisch-analytisch denkenden linken Gehirnhälfte einfach mal eine kurze Pause gönnen.
Kulturherbst
Bereits seit 30 Jahren findet der Kulturherbst des Landkreises Würzburg von Ende September bis zum dritten Wochenende im Oktober in 40 Landkreisgemeinden statt. Ein abwechslungsreiches Programm mit über 170 Veranstaltungen bietet unterschiedlichste Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Kabarett und einen Einblick ins Kunsthandwerk.
Und ich? Ich hatte bis vor einigen Jahren keine Zeit und keine Lust mich dafür zu interessieren. Denn Kunst fordert und verlangt einem ab, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Ich war am Ertrinken im Mainstream und hatte es nicht bemerkt. Zu bequem war mein Leben als dass ich etwas daran hätte ändern wollen.
Ein befreundeter Gitarrist nahm mich damals mit zu einer Veranstaltung der besonderen Art nach Güntersleben. Dort traf ich auf den Organisator der Veranstaltung, Martin Tomaschewski, der in seinem Kreativ Häusle einen Ort der Begegnungen schuf. Hier treffen sich Musiker der unterschiedlichsten Stilrichtungen um gemeinsam zu jammen. Hier entstehen flüchtige Bilder aus Sand, Figuren aus Kiefernrinde und Skulpturen aus Buntsandstein. Hier fühlte ich mich so lebendig wie schon lange nicht mehr.
Seit dieser Begegnung hat sich in meinem Leben viel verändert. Und in diesem Jahr war ich mit meiner Band Amely Day zum ersten Mal selbst Teil des Kulturherbstes. Wir durften am Sonntag im Innenhof vom Kreativ Häusle beim Martin, der inzwischen Bassist meiner Band wurde, ein Set über 45 Minuten spielen. Es war ein herrlicher Tag und mir eine besondere Freude dass die meisten Besucher vom Vortag noch einmal vorbeikamen.
Die Veranstaltung begann tags zuvor mit André Mabiala, einem Trommellehrer aus dem Kongo/Kinshasa. Mit Djemben und Congas sorgten er und seine Trommelgruppe sofort für eine gute Stimmung und selbst ich begann mich nach kürzester Zeit rhythmisch zu bewegen. Nach den ersten Stücken gesellte sich Martin mit seinem Bass, Christoph mit seinem Saxophon und Martin Seeberger mit seiner E-Gitarre dazu. Es wurde improvisiert und man hätte in diesem Moment dem Woodstock-Feeling nicht näher sein können.
Nach dieser schweißtreibenden Session kam ich mit André ins Gespräch. Wir unterhielten uns über den Eine Welt Tag in Güntersleben an dem ich ihn zum ersten Mal mit seiner Trommelgruppe erleben durfte. Ich schwärmte ihm von den leckeren Gerichten Babootie, dem südafrikanischen Hackfleischauflauf mit Safranreis und Gemüse-Chakalaka, der bunten Gemüsepfanne mit Bulgur vor die ich dort probieren durfte und erfuhr von ihm dass er im Salon 77, der Würzburger Künstlerinitiative, afrikanische Trommelkurse für Erwachsene leitet und neben diesen Trommelworkshops auch Trommelbaukurse anbietet.
Während wir uns mit selbst gebackener Quiche, Federweißer, Kaffee und Kuchen verköstigten kamen bereits die nächsten Musiker, bauten ihre mitgebrachten Instrumente auf und begannen einige Bar-Jazz-Swing-Nummern zu spielen. Wir groovten uns ein und der hereinbrechende Abend schwang in einem Rhythmus aus guten Gesprächen, mitgebrachten Köstlichkeiten und immerfort wechselnder Musik von Musikern die sich zufällig zusammenfanden.
Der Sonntag Nachmittag gehörte den Kindern. Mit großer Begeisterung konnte man ihnen beim Figurenschnitzen aus Kiefernrinde zusehen und mit neugierigen und großen Augen und Ohren lauschten sie den wunderbar lebendig vorgetragenen Märchen von Robert Schneider.
Passend zu einem der orientalischen Märchen wurden im Anschluss Mantren gesungen. Ich erfuhr dass Mantren in Sanskrit, der wahrscheinlich ältesten Sprache der Welt, gesungen werden und mir helfen können durch Worte der Kraft und Worte der Energie zur Ruhe zu kommen. Ich ließ mich darauf ein, schloss die Augen und empfand nach kurzer Zeit die eingängige Melodie und die Monotonie der sich wiederholenden Worte als äußerst angenehm, beruhigend und wohltuend.
Aufgeladen mit ganz viel positiver Energie betrat ich mit meiner Band Amely Day die Bühne und wir spielten unser Set das von den Gästen mit viel Applaus, Lob und Anerkennung für unsere Musik, den Texten und dem harmonischen Zusammenspiel honoriert wurde. Der hereinbrechende Abend schwang wie am Vortag wieder in einem Rhythmus aus guten Gesprächen, mitgebrachten Köstlichkeiten und immerfort wechselnder Musik von Musikern die sich zufällig zusammenfanden….
„Im Mainstream kann man nicht ertrinken. Man muss auch nicht immer mit den anderen mitschwimmen. Es kann auch mal ganz interessant sein Gegen den Strom zu schwimmen“
Es gibt so viele Veranstaltungen die uns die Möglichkeit bieten andere Kulturen kennenzulernen und uns helfen sie besser zu verstehen. Ich finde es ganz wichtig dass wir aufeinander zugehen und uns füreinander interessieren um zu erkennen dass wir gar nicht so unterschiedlich sind wie wir oftmals glauben.
Wer gerne Veranstaltungen wie das Afrika Festival, das Umsonst & Draußen, das Ringparkfest und das Stramu besucht, der kann diese tollen Künstler auch unterjährig bei Konzerten und Veranstaltungen im Chambinzky, dem Kunsthaus Michel, dem Cafe Edeltraud, dem Cairo und dem Cafe Wunschlos Glücklich, um nur einige zu nennen, immer wieder mal erleben.
Dort trifft man dann nicht nur die Künstler, sondern auch die herzlichen und weltoffenen Menschen mit denen es Spaß macht sich auszutauschen und solche Konzerte zu genießen.