Unterwegs mit den Retztal-Lamas

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Nur wenige Kilometer nordöstlich von Thüngersheim, in einem Seitental des Mains, befindet sich die Gemeinde Retzstadt. Der idyllische Weinort am Ende des Retztals ist vielen Wanderfreunden und Mountainbikern als das „Dorf der Wege“ bekannt. Denn neben einem Teilstück des beliebten ZweiUfer-Panoramawegs, finden sich hier verschiedene Themen-Wanderwege auf denen man die abwechslungsreiche Landschaft zwischen Wäldern, Weinbergen und Streuobstwiesen erkunden kann.

Und dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit das Retztal bei einer geführten Wanderung mit den Retztal-Lamas zu entdecken!

Fifty Fifty – die coole Socke

Seit 2014 befindet sich in dem kleinen Aussiedlerhof gegenüber der Buchenmühle, zwischen Retzbach und Retzstadt gelegen, die Lama-Ranch „Retztal Lamas“. Hier lebt und arbeitet Kerstin Sprott, eine ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie und Coach für tiergestützte Aktivitäten mit Lamas. Mit ihr habe ich mich zu einer Lama-Wanderung verabredet.

Bereits am Eingangstor werde ich von zwei Lamas begrüßt, die mich neugierig, aber aus sicherer Entfernung in Augenschein nehmen. Kerstin öffnet mir das Tor. Nach einer herzlichen Begrüßung kommt bereits eines der knuffigen Lamas auf mich zu, das mir Kerstin als „Samson – der schönste Lama-Wallach im Retztal“ vorstellt. Samson ist ein sogenanntes Wooly-Lama mit einem temperamentvollen Charakter.

Jetzt kommen auch „Fifty-Fifty – die coole Socke“ und „Emma – die kleine Diva“ etwas näher. Die beiden Lamas hatten sich in der Nähe der Veranstaltungshütte aufgehalten, die bei Betriebsausflügen und Junggesellinnen-Abschiede für ein gemeinsames Picknick und Sektempfang oder bei Kindergruppen für Bastel- und Malaktivitäten oder zum Lama-Plätzchen backen, zur Lamawanderung dazugebucht werden kann.

Bevor wir zur Lama-Stallung gehen, die sich im Hang oberhalb des Hofes befindet, bekomme ich von Kerstin wichtige Informationen zu den Lamas:

Lamas sind meist ruhige und zurückhaltende Herdentiere. Als Fluchttiere reagieren sie auf schnelle Bewegungen mit Zurückweichen. Mit ihren feinen Sinnen erfassen Lamas das Wesen von Menschen und spiegeln es in ihrem Verhalten. Sie sind anfänglich meist etwas scheu, dann freundlich und sehr neugierig.

Die Tiere kommunizieren untereinander durch ein leises Brummen, Summen und Glucksen. Wenn die Harmonie zwischen Mensch und Tier stimmt und der führende Mensch bei einer Lama-Wanderung auf Augenhöhe geht, fängt das Lama auch zu summen an. Die Sprache der Lamas klingt ruhig, zufrieden und wirkt beruhigend. Es überträgt sich eine entspannte Grundhaltung, die einfach gut tut.

Lamas spucken in der Regel auf ihre Artgenossen, um ihre Dominanz zu zeigen und das Rangverhältnis zu klären. Auf Menschen spucken Lamas normalerweise nicht.

An der Stallung treffen wir auf die restlichen der insgesamt acht Retztal-Lamas und auf Claudia – die Lama-Patin von Fifty-Fifty. Für unsere Tour werden Samson – das Wooly-Lama, Wilma – die sanfte Chefin, Charly – der Vorsichtige und Otti – der Aufgeweckte. Während die Beiden den Lamas die Halfter anlegen, erklärt mir Kerstin wie Lamas richtig zu führen sind:

Beim Spazierengehen mit einem Lama geht man am Sinnvollsten neben seinem Lama. So kann man das Tier aus dem Augenwinkel sehen ohne es direkt anstarren zu müssen, was einige Lamas irritieren würde. Wichtig: der Mensch führt das Tier und nicht umgekehrt. Man geht daher immer leicht versetzt VOR der Nase des Lamas. Die Führleine wird locker durchhängend in mindestens einer Armlänge Abstand zum Tier gehalten, so dass das Lama sich beim Wandern gut bewegen kann.

Von der Lama-Ranch laufen wir auf einem Schotterweg in den Weinberg am Altenberg, der sich direkt neben der Ranch befindet. Der Weg ist leicht ansteigend und führt an Lesewällen – das sind Kalkscherben, die am Rande der Rebzeilen zu Haufen aufgeschichtet wurden – vorbei zu einem ehemaligen Steinbruch. Hier leben heute seltene Tiere wie die Schmetterlingsart des Fetthennenbläulings.

Am ehemaligen Steinbruch machen wir eine kurze „Snack-Pause“ für die Lamas und ich genieße den wunderbaren Ausblick ins Retztal und auf Retzstadt.

Fun Fact:
Lamas gehören zu den Wiederkäuern und haben drei Mägen. Sie fressen Heu, mageres Gras, krautige Pflanzen, Sträucher, Flechten, Blätter, Pilze und sind dabei sehr genügsam.

Mit Samson an meiner Seite geht es weiter. Wir erreichen einen Weinbergsweg und laufen am Fuße der Rebzeilen auf ein Waldstück zu. Beim Führen der Lamas achten Kerstin und Claudia darauf, dass der Abstand zwischen den Lamas mindestens 2 Meter und mehr beträgt.

Auf einem schmalen Waldpfad geht es wieder hinunter ins Tal. Wir halten die Führleinen jetzt entsprechend länger, da die Lamas zunächst direkt hinter uns gehen. Da Lamas aber von Natur aus schneller laufen, wenn es bergab geht, läuft Samson schon bald neben mir. Ich bekomme den Hinweis, die Führleine wieder etwas kürzer zu nehmen, da Menschen sich dem schnelleren Tempo nur bis zu einem gewissen Grad anpassen können.

Im Tal angekommen stelle ich überrascht fest, dass wir bereits wieder zurück an der Lama-Ranch sind. Doch bevor wir über den Lama-Trainingsplatz zur Stallung laufen, machen wir in entgegengesetzter Richtung, nochmal einen kurzen Abstecher in den Wald.

Auf einem schmalen, etwas verstecktem Pfad, der wieder leicht bergauf führt, kommen wir zu einem kleinen, etwas unscheinbar wirkenden Weinberg. Laut der dort aufgestellten Informationstafel handelt es sich hier um den vermutlich ältesten Müller-Thurgau-Weinberg der Welt. Seine Anpflanzung ist auf das Jahr 1925 datiert.

Wieder zurück auf der Lama-Ranch möchte mich Samson überholen. Kerstin gibt mir den Tipp einen Kreis zu laufen, was ich auch sofort mache. Und schon bin ich wieder vor dem Lama und Samson kann an meiner Körperhaltung die Richtung erkennen, in die ich gehen möchte.

Zurück an der Stallung endet für mich ein wundervoller Tag an dem ich mit Kerstin, Claudia und den knuffigen Lamas ein ganz besonderes Naturerlebnis genießen durfte.

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