November und Dezember
Da war er: der Herbst-Blues. Grauer Himmel, kaum Sonne und eine feuchte Kälte die mir jegliche Motivation nahm, mich aktiv zu bewegen und mit meinen Nordic-Walking Stöcken regelmäßig laufen zu gehen. Ich nutzte die Zeit um mal wieder einen Blick in mein Bücherregal zu werfen und entdeckte das Buch „Der menschliche Makel“ von Philip Roth.
Ich erinnerte mich nur noch an einzelne Fragmente und so verbrachte ich die nächsten Abende mit der Geschichte von einem Universitätsprofessor, der als Schwarzer mit weiß pigmentierter Haut geboren wird und als falscher weißer Jude einen steilen gesellschaftlichen Aufstieg feiert, bis ihn eine Affäre ins Verderben stürzt.
Nach diesem bemerkenswerten Roman hatte ich wieder Lust am Lesen bekommen und das nächstes Fundstück aus meinem Bücherregal war Die Straße der Ölsardinen von John Steinbeck.
Der letzte Tag im November bescherte uns noch einmal viel Sonnenschein. Eigentlich das falsche Wetter für eine Weihnachtsfeier, aber so war wenigstens sichergestellt, dass ich mein Auto vor der Heimfahrt nicht erst aus einem Schneeberg freischaufeln musste.
Ich fuhr in die Stadt und während ich vom Parkplatz auf der Talavera, am Main entlang Richtung Innenstadt lief, musste ich an die wenigen Sonnentage der letzten Wochen denken an denen ich meine kleinen Auszeiten vom Schreiben in Veitshöchheim an der Mainpromenade, im Rokokogarten oder auf dem Weg der Jahresbäume oben auf der Siedlungshöhe verbrachte.
An einem dieser Tage stellte ich gedanklich einmal einen Vergleich an: Veitshöchheim vs. Würzburg. Gewagt?….aber durchaus möglich! Und unter Zuhilfenahme eines Multiplikationskoeffizienten ergab sich sogar ein klares Unentschieden!
Ich erreichte den Vier-Röhren-Brunnen und wurde dort bereits von den Mitgliedern meines Volleyball-Teams erwartet. Wir waren hier verabredet, da unsere diesjährige Weihnachtsfeier mit einer speziell für uns organisierten Führung durch das Würzburger Rathaus begann.
Wir betraten das Gebäude durch den Seiteneingang am Grafeneckart. Dort stand ein Stadtmodell des zerbombten Würzburgs, welches das Ausmaß der Zerstörung nach dem 16. März 1945 zeigte. Entsetzt und begeistert zugleich über die realistische Nachbildung, liefen wir um die gläserne Vitrine und suchten neugierig nach uns vertrauten Gebäuden. Danach ging es über eine steinerne Treppe hinauf in den Wenzel-Saal.
Nach einem Begrüßungstrunk im Wenzel-Saal ging es in den neuen Ratssaal, den wir nach durchqueren des Wappensaals erreichten. Der neue Ratssaal befindet sich im ersten Obergeschoss des Südflügels und zeigt an den Saalwänden Szenen aus der Geschichte Würzburgs in Fresken von Wolfgang Lenz.
Nachdem sich jeder von uns einen Sitzplatz gesucht hatte bekamen wir auf beeindruckende Weise die Geschichte zu jedem einzelnen Bild erzählt. Dann wurde es langsam Zeit für einen ersten Glühwein. Doch bevor wir weiter Richtung Weihnachtsmarkt bummelten, mussten alle einmal auf dem Stuhl des Oberbürgermeisters Platz nehmen um einmal dieses „Gefühl der Macht“ zu spüren.
Nach einem leckeren Glühwein an der Weihnachts-Pyramide vom Bergtheimer Weingut Schmitt liefen wir Richtung Residenz. Wir hatten im Restaurant Sankt Michael einen Tisch reserviert. Das Restaurant, das sich direkt neben der Seminarkirche St. Michael befindet, ist ein kleines Juwel mit traditioneller Küche.
Neben den typischen Wintergerichten fanden sich zu meiner Begeisterung Gerichte wie das Würzburger Zwiebelfleisch, Kalbsleber gebraten und Rouladen mit Blaukraut und Klößen auf der Karte. Und wer mich kennt der weiß: ich liebe Rouladen und man kann mir an Feiertagen und meinem Geburtstag keine größere Freude machen als mit Rouladen, Blaukraut und Klößen….
Am darauffolgenden Wochenende war Nikolaus und ich war mit meiner Band Amely Day in Bad Neustadt in der Brasserie Kirsch gebucht. Die super sympathischen Wirtsleute Jutta und Christian hatte ich bereits im Sommer kennengelernt und nachdem wir unser Equipment dort aufgebaut hatten und der Soundcheck erledigt war, saßen wir mit den Beiden zusammen und haben erstmal zu Abend gegessen.
Juttas hausgemachtes Wirsing-Gemüse schmeckte „wie bei Muttern“ und als wir fertig gegessen hatten war die Brasserie bereits gut besucht. Das Konzert lief super. Die Leute mochten meine Songs und hatten bei den Mitsing- und Mitschnipp-Nummern mächtig Spaß. Den beiden Wirtsleuten hatte es ebenfalls super gefallen und wir wurden für das kommende Jahr wieder gebucht.
Mitte Dezember hatte ich eine musikalische Prämiere. Robert, der in der ESG regelmäßige Märchenabende veranstaltet, hatte mich gefragt ob ich nicht ein paar meiner Songs bei einer Veranstaltung in der ESG spielen möchte und ich hatte spontan zugesagt. Neben Robert gab es noch zwei Märchenerzählerinnen und zwei weitere Musiker mit musikalischen Beiträgen.
Das Program war so aufgebaut dass Musik immer im Wechsel mit einem Märchen kam. Das kam bei den Besuchern der bis auf den letzten Platz ausverkauften Veranstaltung sehr gut an und auch meine Songs die ich zum allerersten Mal ganz alleine einem Publikum vorspielte wurden begeistert aufgenommen.
Von diesem Hochgefühl wurde ich bis ans Jahresende getragen. Es begleitete mich bei unserem sehr familiären Weihnachtsfest und einem außergewöhnlich schönen Jahreswechsel der mich zu diesem Jahresrückblick inspirierte.
Ich bin überwältigt, wenn ich das vergangene Jahr gedanklich noch einmal zurück blättere und mir bewusst mache was ich alles erleben durfte. Da ist soviel passiert und ich bin so vielen Menschen für so viele Dinge dankbar, dass ich begonnen habe diese Gedanken in ein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben.
Ich bin dankbar für
?? meine Eltern, die immer für mich da sind.
?? die Menschen, die mir zeigen, dass Dinge möglich sind.
?? die Erfahrungen, die ich im vergangenen Jahr machen durfte.
?? den heutigen Tag, den ich gut gelaunt starten konnte.